Mit einem Welpen zieht jede Menge Spaß, aber auch etwas Chaos in Alltag und Wohnung ein. Wer noch nie einen Welpen aufgezogen hat, stellt sich zusätzlich wahrscheinlich unzählige Fragen. Ein Thema, was viele Hundehalter/-innen beschäftigt, ist die Art und Dauer der Aus- und Belastung eines Welpen. Wie lange darf ein Welpe spazieren gehen? Ab wann darf er Treppen steigen? Wie kann ich ihn auslasten, ohne ihn körperlich zu belasten?
Letizia Langer kennt sich bestens aus und weiß Bescheid: Die erfahrene Hundephysiotherapeutin überzeugt hier nicht nur mit ihrem Fachwissen, denn sie hat die Welpenzeit mit Zweithund Eddy gerade erst hinter sich. Inzwischen ist der Junghund in der Blüte seiner Pubertät.
Für uns hat sie sich Zeit genommen, um dir die wichtigsten Tipps zusammenzufassen und mögliche Konsequenzen bei einer zu frühen Überbelastung aufzuzeigen.
Für einen Welpen gelten hinsichtlich der körperlichen Belastung andere und teils strengere Regeln als für einen erwachsenen Hund: „Bei einem so jungen Hund sind die Wachstumsfugen noch nicht vollständig geschlossen, der ganze Bewegungsapparat bekommt erst im Laufe des Wachstums seine Festigkeit. Knorpel wird zu Knochen, Bänder und Sehnen werden stabil, Bindegewebe festigt sich und Muskulatur wird aufgebaut.“
Dein Hundekind kann bestimmte Belastungen noch nicht so auffangen wie ein erwachsener Hund, weshalb es schnell zu Überbelastungen kommen kann.
Viele Hundehalter/-innen sind sich anfangs unsicher, ab wann und vor allem wie lange sie mit einem Welpen spazieren gehen können. „Theoretisch kann man sofort nach dem Einzug mit ihm raus. Ganz allgemein orientiert man sich am Welpenalter und fängt in kurzen Sequenzen an, die sich langsam von Woche zu Woche steigern. Es gibt verschiedene Meinungen und Faustformeln, an denen man sich orientieren kann.“
Alter des Welpen | Spaziergeh-Zeit |
---|---|
8 Wochen | 8 Minuten |
9 Wochen | 9 Minuten |
10 Wochen | 10 Minuten |
11 Wochen | 11 Minuten |
12 Wochen | 12 Minuten |
Alter des Welpen | Spaziergeh-Zeit |
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1 Monat | 5 Minuten |
2 Monate | 10 Minuten |
3 Monate | 15 Minuten |
4 Monate | 20 Minuten |
5 Monate | 25 Minuten |
Letztendlich liegen diese beiden klassischen Richtwerte sehr nah beieinander und haben ähnliche zeitliche Empfehlungen für die Dauer der Spaziergänge, weshalb du dich an beiden gut orientieren kannst.
Achtung: „An dieser Stelle kommt mein ABER! zu diesem Thema. Diese Faustformeln sind eine gute Grundlage, die man für die körperliche Entwicklung des Hundes aber etwas ergänzen kann.“
Für Letizia kommt es nicht nur darauf an, wie lange du mit deinem Welpen spazieren gehst, sondern auch, wie du diese Zeit gestaltest.
„Es gibt Studien, die belegt haben, dass der Bewegungsapparat von Hunden unter bestimmten Belastungen später besser funktioniert, wenn er an das Muster dieser Bewegungen schon früh herangeführt wurde und sie kennenlernen konnte.“
Deshalb integriert Letizia in die Belastung eines Welpen auch von Anfang an Untergrund- und Balance-Training, was für deinen Vierbeiner im ganzen Körper spürbar wird: „Das ist wie eine Art Körperschulung. Der Hund lernt, dass er vier Füße und einen langen Rücken hat und was seine Antriebskraft für ihn bedeutet.“
Die Rede ist von einfachen Übungen, die du wie Letizia zusätzlich zum Spaziergang in kleinen und kurzen Einheiten mit deinem Junghund absolvierst oder sie einfach direkt in deinen Spaziergang integrierst.
Letizias Tipp: „Man könnte zum Beispiel einen kurzen Spaziergang auf weichem und sandigem Untergrund machen oder den Welpen mit Absicherung durch das Halten am Geschirr über einen kleinen, aber sicheren Baumstamm balancieren lassen – selbst wenn das alles nur wenige Minuten dauert. Es geht darum, dem Hund die Vielfalt an Bewegungsabläufen zu zeigen, damit der Körper lernt, dass es nicht immer nur strikt geradeaus über ebene Flächen geht.“
Achtung: Was du nicht vergessen solltest, ist deinem Welpen bei den ersten Spaziergängen auch Zeit zu geben die neue Umgebung zu erkunden und ihn in Ruhe schnüffeln lassen. „Wer das berücksichtigt, kann auch etwas länger als vorgegeben unterwegs sein, denn das ist ja in diesem Sinne keine körperliche Belastung.“
Letizia empfiehlt grundsätzlich deinen Welpen von Anfang an direkt an Halsband und Geschirr zu gewöhnen. Was du davon dann tatsächlich benutzt, ist jedoch individuell zu betrachten: „Im Hinblick auf die Erziehung hat man am Halsband eine deutlich bessere Kommunikation über die Leine, aber wenn der Junghund noch keine Leinenführigkeit beherrscht und stark zieht, empfehle ich immer ein Geschirr hinzuzunehmen, damit der Druck nicht nur auf dem Hals liegt und am Ende noch Schäden verursacht.“
Es passiert Hundebesitzer/-innen nicht selten, dass der Welpe vor dem Grundstück einfach sitzen bleibt, den Auslauf verweigert und nicht mitgehen möchte: „Das ist ein normales Verhalten. Viele Welpen sind am Anfang mit der Außenwelt überfordert.“
Die kleinen Hundekinder sind enormem Stress ausgesetzt, wenn sie von der Mutter getrennt werden. Trotzdem lernen sie schnell und wissen schon nach kurzer Zeit, was ihr zu Hause und die sichere Zone ist. Davon bewegen sich viele gerade am Anfang nur sehr ungern weg.
„Deshalb sage ich auch, nur „theoretisch“ kann man mit einem Welpen sofort spazieren gehen. Am Anfang ist Sicherheit für den Welpen das Wichtigste, man sollte ihn nicht zum Gassigehen zwingen, wenn er das Grundstück nicht freiwillig verlassen möchte.“
Letizias Tipps: “Du kannst stattdessen den Spaziergang vor das Haus oder in den Garten verlegen und mit deinem Hund einfach ein paarmal auf und ab gehen. Du wirst merken, wenn dein Vierbeiner an Sicherheit gewinnt und irgendwann aus eigenem Antrieb und Neugier heraus anfängt, sich von der gewohnten Umgebung wegzubewegen.
Alternativ könnte man den Hund auch erst ein paar Meter tragen oder mit dem Auto ganz woanders hinfahren und den Spaziergang von dort aus starten. Das kann helfen, die Scheu abzulegen, muss es aber nicht. Das Sicherheitsgefühl für den Welpen sollte wirklich im Vordergrund stehen.“
Das Treppensteigen ist ebenfalls ein Thema, was viele Halter/-innen beschäftigt, denn viele wohnen entweder über dem Erdgeschoss oder in Häusern mit mehreren Etagen und sind sich unsicher, ab wann die Fellnase selbstständig die Stufen laufen sollte.
„Circa ab dem sechsten bis achten Lebensmonat ist es durchaus legitim, dass ein Hund regelmäßiger Treppen läuft. Es kommt auch ein bisschen auf die Größe des Hundes an: Gerade die großen Rassen haben mit sechs Monaten oft ein Gewicht erreicht, das man kaum noch selbst tragen kann. Trotzdem sollte auch dann noch darauf geachtet werden, dass sich die Anzahl der Stufen in Grenzen hält, ebenso die Häufigkeit, diese zu laufen.“
Die gesundheitlichen Risiken einer Überbelastung im jungen Welpenalter sind nicht zu unterschätzen: „Das Gefährliche ist, dass man die Überbelastung nicht in dem Moment merkt, in dem sie passiert. Die Folgen zeigen sich erst nach einiger Zeit.“
Nicht selten kommt es zu Absplitterungen an Knochenvorsprüngen. Diese schwirren dann im Gelenk, führen zu unregelmäßigen Lahmheiten und verursachen Schmerzen beim Hund. „Diese Absplitterungen haben wirklich viele Hunde. Ich habe einige Patienten damit bei mir in Behandlung, denn diese Splitter müssen operativ entfernt werden.“
Das ist auch mit ein Grund, warum bei Welpenspielstunden oder gemeinsamen Treffen in der Hundeschule das Spiel mit Artgenossen nur sehr zeitbegrenzt und kontrolliert stattfindet: „Welpenspielstunden sind die größte Belastung für den kleinen Körper, die es gibt. Da wird gerannt, gesprungen und gerauft. Und solange einer immer weiter läuft, ziehen die anderen meist mit – egal, ob sie noch können oder nicht. Halter/-innen, die das nicht regulieren, müssen damit rechnen, dass die Gefahr für Verletzungen steigt.“
Andere Konsequenzen können allgemeine Wachstumsprobleme oder Wachstumserkrankungen sein: „Wenn die Belastung zu heftig ist, kann das Wachstum ins Stocken geraten, nicht seinen optimalen Verlauf nehmen und der Knochen kann sich nicht richtig entwickeln.“ Entzündungen der Knochenhaut und frühzeitige Arthrosen aufgrund der chronischen Gelenkreizung sind leider ebenfalls keine Seltenheit.
Auch wenn dein Welpe am Ende des Spaziergangs nicht müde erscheint, solltest du die körperliche Belastungsgrenze nicht an das Erschöpfungslevel des Hundes anpassen. Letizia gibt zudem zu bedenken: „Die Erziehung und der erste Grundgehorsam sind natürlich nicht zu vergessen. Das ist auch sehr anstrengend für den kleinen Hund und macht ihn müde.“
Es gibt viele weitere Möglichkeiten deinen Vierbeiner auszulasten. Letizia ist ein großer Fan von Kopfarbeit. Du kannst zu Hause, also in der sicheren Zone des Welpen, super Leckerli-Suchspiele anbieten oder Spielzeug verstecken.
Letizia Langer ist seit vielen Jahren selbstständig als Hundephysiotherapeutin mit ihrer eigenen Praxis Reha Pfoten. Privat lebt sie mit ihrem Partner, Hündin Millie und Jungspund Eddy in Bielefeld. Die Welpenphase mit Eddy hat Letizia schon abgeschlossen. Auf die beiden wartet nun die energiereiche Zeit der Pubertät.